Forderungen CSD Thüringen 2014

Forderungen des CSD Thüringen 2014

Forderungen des CSD Thüringen 2014

Entschädigung und Rehabilitation der Menschen die nach Paragraph 175 und 151 verfolgt, verurteilt und inhaftiert waren!

Bis 1994 galt in Deutschland ein Sonderstrafrecht in Bezug auf homosexuelle Beziehungen. Eingeführt bereits im Kaiserreich, von den Nazis verschärft und auch in BRD und DDR unter verschiedenen Vorzeichen fortgeführt wurden nach Schätzungen etwa 150.000 Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und unter Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch verurteilt. Bis heute ist den Opfern dieser diskriminierenden Gesetzeslage weder Entschädigung noch Rehabilitierung gewährt worden. Wir fordern, dies endlich umzusetzen!

Rosawinkelhäftlinge anerkennen

Unter den Nazis wurden zahlreiche Homosexuelle zudem in Konzentrationslager gesperrt und dort mit dem Tragen des sog. Rosa Winkel gekennzeichnet. Nach Schätzungen des Soziologen Rüdiger Lautmann betraf dies etwa 10.000 bis 15.000 Männer, von denen etwa die Hälfte unter dem mörderischen KZ-Regime umgekommen ist. Bis heute sind Rosawinkelhäftlinge keine gleichermaßen berücksichtigte Häftlingsgruppe im Erinnerungsdiskurs um die Opfer der NS-Diktatur. Die letztjährige Ehrung von Rudolf Brazda in Weimar, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung im KZ Buchenwald eingesperrt war, 2011 starb und als letzter überlebender Rosawinkelhäftling galt, stellt einen wichtigen Schritt im Rahmen der Aufarbeitung dar. Dabei darf die Erinnerung an das Leid dieser Opfergruppe jedoch nicht beschränkt bleiben.

Blut- und Organspende für alle ermöglichen (Risikobewertung überdenken) – Diskriminierung im Gesundheitswesen beenden!

Noch heute führt die bloße Tatsache homosexueller Sexualkontakte zum Ausschluss der Möglichkeit als Blut- oder Organspender_in aufzutreten. Begründet wird dies mit der höheren Wahrscheinlichkeit einer sexuell übertragbaren Krankheit, insbesondere von AIDS. Diese Festlegung, die nach langen Protesten endlich auch von Mediziner_innen kritisch hinterfragt wird, erklärt LSBTI*-Menschen per se zum unmündigen gesellschaftlichen Risikofaktor. Anstelle der fortgesetzten Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe sollte generell auf risikohaftes Sexualverhalten fokussiert werden.

Volle Anerkennung von Regenbogenfamilien

Das traditionelle Familienbild von Mutti, Vati und Kind(ern) ist heutzutage schlichtweg archaisch. Millionen Menschen entscheiden sich bewusst gegen dieses konservative Familienbild, auch weil es oftmals mit einem nicht weniger negativen Rollenverständnis verbunden ist. Es wird Zeit, dass der Familienbegriff endgültig an zeitgemäße Standards angepasst wird. Für uns ist Familie dort, wo Menschen aus Liebe zueinander füreinander und ggf. auch für Kinder und eigene Eltern Verantwortung übernehmen. Alle diskriminierenden Bestimmungen, die nur die traditionelle heteronormative Familie stützen, sind deshalb zu überwinden und aufzuheben.

Öffnung der Ehe für alle Menschen

Als einen ersten Schritt in diese Richtung betrachten wir das Ende des Ehe-Privilegs für Hetero-Paare. Solange an die Ehe als Institution bestimmte gesellschaftliche Vorteile geknüpft sind, muss dafür Sorge getragen werden, dass sie allen Menschen offen steht.

Volles Adoptionsrecht für alle Paare! Kostenübernahme für Künstliche Befruchtung bei Lesben durch die Krankenkassen, sowie Legalisierung und Kostenübernahme von Leihmutterschaft für Homo-Paare!

Auf dem Weg zu einem neuen Familienbegriff und der Überwindung des vermeintlichen Standards der Mutter-Vater-Kind-Familie gehört für uns neben dem vollen Adoptionsrecht auch die Möglichkeit unkomplizierte Verfahren zu finden, um LSBTI*-Menschen Familiengründungen zu ermöglichen. Es ist unhaltbar, dass heterosexuelle Paare die Insemination von den Krankenkassen bezahlt bekommen, während lesbischen Paaren dies verwehrt bleibt. Auch für schwule Beziehungen muss zudem eine legale Möglichkeit des Kinderkriegens geschaffen werden, indem Leihmutterschaften vollumfänglich legalisiert werden. Hier gibt es genügend europäische Beispiele, die die Möglichkeiten aufzeigen.

Heteronormativität überwinden

Auch in Deutschland wird noch immer krampfhaft an der Binarität der Geschlechter festgehalten. Sei es in der Schule, in der Medizin oder im Pass: die Aufteilung in männlich und weiblich bleibt bis heute festgeschrieben und unterdrückt all diejenigen Menschen, die sich dem erlaubten Geschlechterkanon nicht unterwerfen wollen oder können. Es ist dringend geboten, diese überkommene Position zu überwinden und in einem ersten Schritt ein drittes bzw. unbestimmtes Geschlecht offiziell zu verankern, wie es zumindest für Neugeborene seit November 2013 ermöglicht wurde.

Neben den vermeintlich eindeutigen biologischen Geschlechtern (sex) gilt es aber auch das soziale Geschlecht (gender), also die impliziten Rollenzuschreibungen vermeintlich männlicher und weiblicher Verhaltensweisen, zu überwinden. Die Stereotypisierung „richtigen“ geschlechtlichen Verhaltens ist ein traditionelles Instrument zur Delegitimierung und gesellschaftlichen Unterdrückung der Position von Frauen und LSBTI*-Menschen, indem sie u.a. in bedeutenden Fragen entmündigt und so überhört werden.

Wir wollen ein queeres Lebensverständnis für alle Menschen etablieren, um so starre, binäre und schlicht unzureichende Geschlechterdiskurse zu überwinden.

Religionsfreiheit darf nicht in Menschenrechte eingreifen

Immer wieder wird in gerichtlichen Urteilen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen das Recht auf Religionsfreiheit genutzt, um Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung de facto zu benachteiligen. Solche Regelungen, wie sie am prominentesten in Deutschland noch immer im kirchlichen Arbeitsrecht zu finden sind, lehnen wir entschieden ab. Wir wollen damit keineswegs Religionen oder den Glauben von Menschen diskreditieren, wir sind aber der festen Überzeugung, dass keine Religionsgemeinschaft oder Kirche das Recht hat die gesellschaftlichen Positionen von LSBTI*-Menschen unter scheinheiligen Gründen weiter zu delegitimieren.

Grundgesetzliches Diskriminierungsverbot um sexuelle Orientierung ergänzen

In diesem Sinne ist es auch notwendig, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung endlich in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern. Dieser Schritt würde eine deutliche Verbesserung für die juristische Anerkennung in Fällen von Herabsetzungen von Menschen aus der LSBTI*-Community bedeuten und zugleich den Weg zu einer neuen gesellschaftlichen Debatte zu diesen Themen öffnen.

Homosexualität und deren Verfolgung muss Asylgrund sein

Die freie Wahl der sexuellen Orientierung ist ein Menschenrecht. Damit es sich nicht nur auf die Perspektive von Bürger_innen der Bundesrepublik Deutschland erstreckt, ist es dringend geboten, Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung endlich als Asylgrund zu berücksichtigen. In vielen Staaten der Welt sind LSBTI*-Menschen massiver Verfolgung und Gewalt ausgesetzt und müssen im schlimmsten Fall um ihr Leben fürchten. Die bisherige Praxis deutscher (Abschiebe-)Behörden, Betroffene zum „Verstecken“ ihrer Orientierung nach der erfolgten Abschiebung zu raten, ist dabei schlicht menschenverachtend. Wir fordern deshalb, die Abschiebung von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in Deutschland Asyl suchen, unverzüglich zu stoppen und ihre bedrohte Situation endlich ernst zu nehmen.