Forderungen CSD Thüringen 2016

Forderungen des CSD Thüringen 2016

Entschädigung und Rehabilitation der Menschen die nach Paragraph 175 und 151 verfolgt, verurteilt und inhaftiert waren

Bis 1994 galt in Deutschland ein Sonderstrafrecht in Bezug auf homosexuelle Beziehungen. Eingeführt bereits im Kaiserreich, von den Nazis verschärft und auch in BRD und DDR unter verschiedenen Vorzeichen fortgeführt, wurden nach Schätzungen etwa 150.000 Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und unter Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch verurteilt. Bis heute ist den Opfern dieser diskriminierenden Gesetzeslage weder Entschädigung noch Rehabilitierung gewährt worden. Die neue Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, dieses Thema im Bundesrat einzubringen: Wir verlangen jetzt eine Initiative durch den Freistaat Thüringen!

Rosawinkelhäftlinge anerkennen  

Unter den Nazis wurden zahlreiche Homo- und Transsexuelle zudem in Konzentrationslager gesperrt und dort mit dem Tragen des sog. Rosa Winkel oder als „Asoziale“ gekennzeichnet. Bis heute sind diese Häftlinge nicht gleichermaßen im Erinnerungsdiskurs als Opfer der NS-Diktatur berücksichtigt. Wir fordern die Thüringer Landesregierung auf, sich in Thüringen und im Bundesrat für ein gleichberechtigtes Gedenken an alle Opfergruppen des Nationalsozialismus einzusetzen.

Blut- und Organspende für alle gleichermaßen ermöglichen

Im Mai 2015 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass ein genereller Ausschluss Homosexueller von der Blutspende nicht zulässig ist, soweit etwa über Tests oder Befragungen ein Infektionsrisiko ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist, wie schon immer seitens der LSBTI*-Verbände gefordert, auf die Frage eines verantwortungsbewussten Sexualverhaltens zu achten. Ähnlich wie bei der Knochenmarkspende muss nun eine zügige Anpassung der Blut- und Organspenderichtlinien an den Urteilsspruch erfolgen.

Volle Anerkennung von Regenbogenfamilien 

Das traditionelle Familienbild von Mutter, Vater und Kind(ern) spiegelt nicht mehr die gesellschaftlichen Realitäten. Millionen Menschen entscheiden sich gegen dieses konservative Familienbild, auch weil es oftmals mit einem negativen Rollenverständnis verbunden ist. Es wird Zeit, dass der Familienbegriff endgültig an zeitgemäße Standards angepasst wird. Für uns ist Familie dort, wo Menschen aus Liebe zueinander füreinander und ggf. auch für Kinder und eigene Eltern Verantwortung übernehmen. Alle diskriminierenden Bestimmungen, die nur die traditionelle heteronormative Familie stützen, sind deshalb zu überwinden und aufzuheben. Auf diesem Weg ist es ein erster Schritt, die Ehe für Alle zu öffnen.

 Religionsfreiheit darf nicht in Menschenrechte eingreifen 

Immer wieder wird in Gerichtsurteilen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen das Recht auf Religionsfreiheit genutzt, um Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu benachteiligen. Solche Regelungen, wie sie am prominentesten in Deutschland noch immer im kirchlichen Arbeitsrecht zu finden sind, lehnen wir entschieden ab. Wir wollen damit keineswegs Religionen oder den Glauben von Menschen diskreditieren, wir sind aber der festen Überzeugung, dass keine Religionsgemeinschaft oder Kirche das Recht hat, die gesellschaftlichen Positionen von LSBTI*-Menschen unter scheinheiligen Gründen weiter zu delegitimieren.

Artikel 3 des Grundgesetzes erweitern

In diesem Sinne ist es auch notwendig, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung endlich in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern. Dieser Schritt würde eine deutliche Verbesserung für die juristische Anerkennung in Fällen von Herabsetzungen von LSBTI*-Menschen bedeuten und zugleich den Weg zu einer neuen gesellschaftlichen Debatte zu diesen Themen öffnen. Die vorhandene Formulierung im Artikel 2 (3) der Thüringer Landesverfassung muss endlich umfassende Umsetzung im Landesrecht finden.

Homo- und Transsexualität und deren Verfolgung muss Asylgrund sein 

Wir fordern ein umfassendes Recht auf Asyl bei jeglicher Art von Verfolgung und Diskriminierung. Es ist dringend geboten, auch Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung endlich als Asylgrund zu berücksichtigen. Wir fordern deshalb, die Abschiebung von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Asyl suchen, unverzüglich zu stoppen und ihre Situation endlich ernst zu nehmen. Dazu gehört auch, dass homo- und transsexuelle Asylsuchende eine geschützte Unterbringung erhalten.

LSBTI*-Realität in der Bildung verankern

Auf vielen deutschen und auch Thüringer Schulhöfen ist die Formulierung „Du bist schwul!“ eine alltägliche Form der Beleidigung und zeigt die tiefe Verankerung von trans- und homofeindlichen Einstellungen. Deshalb fordern wir die Vermittlung von LSBTI*-Perspektiven im Unterricht, um der Entstehung von Trans- und Homofeindlichkeit schon bei Kindern und Jugendlichen effektiv zu begegnen.

Gesellschaftliche Teilhabe von HIV-positiven Menschen sichern

Die Diagnose HIV-positiv ist nicht nur für die Betroffenen ein oft persönlich niederschmetterndes Ereignis, sie ist auch der Beginn eines Verlustes gesellschaftlicher Teilhabe. Ob in der Arbeitswelt oder im Ehrenamt, bei der Auswahl möglicher Urlaubsziele oder sich abwendender Bekannter: HIV-positive Menschen werden noch immer vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Neben der notwendigen gesellschaftlichen Debatte ist auch sicherzustellen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Möglichkeiten die Rechte von HIV-positiven Menschen sichert.

Reform des Transsexuellengesetzes

 

Das Transsexuellengesetz gibt transsexuellen Menschen die Möglichkeit, ihren Namens- und auch ihren Personenstand zu ändern. Ein solches Verfahren kann jedoch Jahre in Anspruch nehmen und die Betroffenen vor große Belastungen stellen. So sind etwa zwei Gutachten dafür ausschlaggebend, ob eine Person die gerichtliche Erlaubnis erhält. Weite Teile des Gesetzes von 1981 sind zudem durch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes als verfassungswidrig eingestuft worden. Wir fordern deshalb ein modernes Transsexuellengesetz, welches die Perspektive der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt.