Forderungen CSD Thüringen 2015

Forderungen des CSD Thüringen 2015

Entschädigung und Rehabilitation der Menschen die nach Paragraph 175 und 151 verfolgt, verurteilt und inhaftiert waren! 

Bis 1994 galt in Deutschland ein Sonderstrafrecht in Bezug auf homosexuelle Beziehungen. Eingeführt bereits im Kaiserreich, von den Nazis verschärft und auch in BRD und DDR unter verschiedenen Vorzeichen fortgeführt, wurden nach Schätzungen etwa 150.000 Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und unter Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch verurteilt. Bis heute ist den Opfern dieser diskriminierenden Gesetzeslage weder Entschädigung noch Rehabilitierung gewährt worden. Die neue Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, dieses Thema im Bundesrat einzubringen: Wir verlangen jetzt eine Initiative durch den Freistaat Thüringen!

Rosawinkelhäftlinge anerkennen  

Unter den Nazis wurden zahlreiche Homosexuelle zudem in Konzentrationslager gesperrt und dort mit dem Tragen des sog. Rosa Winkel oder als „Asoziale“ gekennzeichnet. Bis heute sind diese Häftlinge nicht gleichermaßen im Erinnerungsdiskurs als Opfer der NS-Diktatur berücksichtigt. Wir fordern die Thüringer Landesregierung auf, sich in Thüringen und im Bundesrat für ein gleichberechtigtes Gedenken an alle Opfergruppen des Nationalsozialismus einzusetzen.

Blut- und Organspende für alle gleichermaßen ermöglichen

Im Mai 2015 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass ein genereller Ausschluss Homosexueller von der Blutspende nicht zulässig ist, soweit etwa über Tests oder Befragungen ein Infektionsrisiko ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist, wie schon immer seitens der LSBTI*-Verbände gefordert, auf die Frage eines verantwortungsbewussten Sexualverhaltens zu achten. Ähnlich wie bei der Knochenmarkspende muss nun eine zügige Anpassung der Blut- und Organspenderichtlinien an den Urteilsspruch erfolgen.

Volle Anerkennung von Regenbogenfamilien 

Das traditionelle Familienbild von Mutti, Vati und Kind(ern) ist heutzutage schlichtweg zu engstirnig. Millionen Menschen entscheiden sich bewusst gegen dieses konservative Familienbild, auch weil es oftmals mit einem negativen Rollenverständnis verbunden ist. Es wird Zeit, dass der Familienbegriff endgültig an zeitgemäße Standards angepasst wird. Für uns ist Familie dort, wo Menschen aus Liebe zueinander füreinander und ggf. auch für Kinder und eigene Eltern Verantwortung übernehmen. Alle diskriminierenden Bestimmungen, die nur die traditionelle heteronormative Familie stützen, sind deshalb zu überwinden und aufzuheben. Auf diesem Weg ist es ein erster Schritt, die Ehe für Alle zu öffnen.

 Religionsfreiheit darf nicht in Menschenrechte eingreifen 

Immer wieder wird in gerichtlichen Urteilen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen das Recht auf Religionsfreiheit genutzt, um Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung de facto zu benachteiligen. Solche Regelungen, wie sie am prominentesten in Deutschland noch immer im kirchlichen Arbeitsrecht zu finden sind, lehnen wir entschieden ab. Wir wollen damit keineswegs Religionen oder den Glauben von Menschen diskreditieren, wir sind aber der festen Überzeugung, dass keine Religionsgemeinschaft oder Kirche das Recht hat, die gesellschaftlichen Positionen von LSBTI*-Menschen unter scheinheiligen Gründen weiter zu delegitimieren.

Artikel 3 des Grundgesetzes erweitern

In diesem Sinne ist es auch notwendig, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung endlich in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern. Dieser Schritt würde eine deutliche Verbesserung für die juristische Anerkennung in Fällen von Herabsetzungen von Menschen aus der LSBTI*-Community bedeuten und zugleich den Weg zu einer neuen gesellschaftlichen Debatte zu diesen Themen öffnen. Die vorhandene Formulierung im Artikel 2 (3) der Thüringer Landesverfassung muss endlich umfassende Umsetzung im Landesrecht finden.

Homosexualität und deren Verfolgung muss Asylgrund sein 

Wir lehnen grundsätzlich die Klassifizierung von Menschen ab und fordern ein umfassendes Recht auf Asyl bei jeglicher Art von Verfolgung und Diskriminierung. Es ist dringend geboten, auch Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung endlich als Asylgrund zu berücksichtigen. Wir fordern deshalb, die Abschiebung von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Asyl suchen, unverzüglich zu stoppen und ihre Situation endlich ernst zu nehmen.

LSBTI*-Realität im Thüringer Bildungsplan nicht länger vernachlässigen

Auf vielen deutschen und auch Thüringer Schulhöfen ist die Formulierung „Du bist schwul!“ eine alltägliche Form der Beleidigung und zeigt die tiefe Verankerung von trans- und homophoben Einstellungen. Deshalb fordern wir die Verankerung von LSBTI*-Perspektiven im Thüringer Bildungsplan, um der Entstehung von Trans- und Homophobie schon bei Kindern und Jugendlichen effektiv zu begegnen.

Gesellschaftliche Teilhabe von HIV-positiven Menschen sichern

Die Diagnose HIV-positiv ist nicht nur für die Betroffenen ein oft persönlich niederschmetterndes Ereignis, sie ist oftmals auch der Beginn eines Verlustes gesellschaftlicher Teilhabe. Ob in der Arbeitswelt oder im Ehrenamt, bei der Auswahl möglicher Urlaubsziele oder sich abwendender Bekannter: HIV-positive Menschen werden noch immer vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Neben der notwendigen gesellschaftlichen Debatte ist auch sicherzustellen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Möglichkeiten die Rechte von HIV-positiven Menschen sichert.

Zügige Entwicklung eines Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt

Die Parteien DIE LINKE, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen haben sich in ihrem Koalitionsvertrag zur Errichtung eines Landesprogrammes für Akzeptanz und Vielfalt bekannt. Wir fordern die Parteien zur zügigen Umsetzung dieses Landesprogrammes auf, unter der Einbeziehung der LSBTI*-Community, ihrer Vereine und Verbände. Dabei ist auch sicherzustellen, dass Beratungsstellen und Treffpunkte eine ausreichende finanzielle Absicherung erfahren, um ihre Arbeit im Bereich der Aufklärung, Beratung und Vernetzung durchführen zu können.